Er nickt Ruben zu und spielt weiter.
Auf einen schönen Abend,murmelt er kaum hörbar und auf die Nächte, in denen man nicht weiß, ob man Musik macht oder nur die Stille aushalten will.
Er nickt Ruben zu und spielt weiter.
Auf einen schönen Abend,murmelt er kaum hörbar und auf die Nächte, in denen man nicht weiß, ob man Musik macht oder nur die Stille aushalten will.
Maximilian tritt über die Schwelle.
Die hab ich seit 25 Jahren. Vielleicht ist das das Einzige, das mich wirklich ausgehalten hat.
Er guckt in die Runde, nimmt sich ein Stück Zwetschgenkuchen, setzt sich in die Ecke und spielt alte Blues-Riffs mit Jazz Fragmenten.
Maximilian beginnt stillschweigend. Er räumt die Tassen vom Tisch, obwohl am Boden noch ein Rest kalter Tee zurückgeblieben ist. Sorgfältig spült er sie ab, im Becken hört man nur das Wasser rauschen. Danach wischt er die Arbeitsfläche sauber. In der Speisekammer stellt er die geöffnete Brottüte ordentlich hin und kontrolliert, ob für den nächsten Tag noch genug vorhanden ist. Den Müllsack bindet er zu, trägt ihn in den dunklen Hof und verharrt dort einen Moment, den Blick in den Himmel gerichtet, ohne etwas Bestimmtes zu erwarten. Wieder im Wohnzimmer ordnet er die Sofakissen, als würde gleich jemand Platz nehmen wollen. Auf den Tisch stellt er ein frisches Glas Wasser, falls in der Nacht jemand durstig wird.
Maximilian klopft an die Tür. Kein Kuchen, keine Flasche, nur eine alte Akustikgitarre. Er hält sie nicht wie ein Musiker, eher wie jemand, der sie unterwegs aufgehoben hat, weil sie niemandem mehr zu gehören schien.
Zwetschgenkuchen lockt wohl alle an. Ich hab nichts Gebacken, nur das hier. Ein wenig Stimmung geben die Saiten wieder.
Er bleibt stehen, die Gitarre locker im Arm, als sei sie sein einziger Grund, hier zu sein.
nickt Lara zurück in der Hoffnung sich nicht zu sehr eingemischt zu haben. Er nimmt sie zur Seite.
Lara, ich fühl mich fast wie ein Gast der zu lange bleibt. Kann ich euch als Dank unterstützen? Was fehlt? Milch, Brot, Hände zum Abwaschen? Ich beteilige mich gern, sonst fühlt es sich an, als würd ich nur atmen und nicht helfen.
Maxi lehnt sich leicht nach vorne, die Stimme ruhig.
Träume sind wie Bilder, die dein Kopf malt, wenn er eigentlich schlafen sollte. Sie sind nicht echt, auch wenn sie manchmal so aussehen.
Und weißt du was? Meistens hören die Träume schneller auf, wenn man ihnen zeigt, dass man keine Angst vor ihnen hat.
Er macht Luis einen warmen Kakao und gibt ihm einen kleinen Traumfänger.
Maximilian winkt Luis zu, so als würden sie sich schon ewig kennen.
Hey großer Mann, keine Panik. Lara hat mich nur reingelassen, damit ich nicht draußen frier. Bin also sowas wie der Gast auf der Couch.
Ich bin übrigens Maxi.
Maximilian grinst und streckt Luis die Faust hin zum Check.
Weißt du, in Träumen ist das wie im Kampfsport. Da geht’s nicht drum, den größten Schlag rauszuhauen, sondern einfach zu wissen, dass du dich bewegen kannst. Wenn also wieder Zombies oder weiße Männchen auftauchen, Faust hoch, Schritt zur Seite und dann direkt dahin wo es wehtut.
Er zwinkert.
Und falls das nicht klappt, teilen wir uns die Gegner. Du nimmst die Katzen, ich kümmer mich um die Typen im Anzug.
Maximilian blinzelt, als hätte Stacys Worte kurz an seiner Haut gekratzt, nicht tiefer.
Misshandelt? Psycho?
Vielleicht wurde ich misshandelt, von der Zeit, von Enttäuschungen, die wie Nägel unter der Haut sitzen oder von der Liebe, die kam und ging, wie jemand, der im Regen den Schirm aufspannt und der Sturm ihn entreißt.
Und Psycho? Wenn das bedeutet Fragen zu stellen, wo andere schweigen, dann vielleicht, aber was ist normal? Pommbären zum Frühstück, Follower zum Einschlafen, und die Angst, dass jemand hinter die Schminke schaut?
Ein Magenknurren, laut wie der Wellenbruch auf stürmischer See, unterbricht alle.
Ist das Casting vorbei oder hat es Koch garnicht begonnen? Ablehnung. Zusage. Ich könnte mich mit beidem arrangieren, mit euch vielleicht auch. Also entweder ich koche etwas oder ich verschwinde und esse alleine.
Maximilian lehnt sich in den Stuhl, holt tief Luft und legt los.
Stacy, wenn Insta deine große Bühne ist, sag mir, wie viele deiner Follower sind noch aus atmend und wie viele nur Schatten, die Herzchen malen ohne Herz zu haben? Schaust du manchmal zurück in die Frontkamera in der du dich spiegelst? Was siehst du? Ein Gesicht oder nur einen Filter der längst verwischt? Was ist mit deiner Boutique? Eine Tür die geschlossen bleibt weil die Kasse fehlt. War es je die Kasse? Fehlt da etwas anderes, wie ein Grund, ein Inhalt, ein Atemzug? Mode und Stil, sind das Stoffe die wärmen, oder nur Tücher mit denen man Leere verhüllt? Warum riecht hier alles nach Pommbären? Süß und salzig zugleich, wie eine Erinnerung an eine Kindheit die man nicht loslassen will. Ist das Trost? Oder bloß ein Snack, der versucht, ein Loch zu füllen der keinen Magen kennt? Du fragst ob ich arbeite aber was ist Arbeit? Zeit verkaufen, bis sie euch nicht mehr gehört? Hände wund reiben, bis der Körper nichts mehr fühlt? Etwas schaffen was bleibt, wenn der Körper längst kalt ist? Freddy du bist fort, und doch klebt dein Name in dieser WG wie eine Kerze die ausgeblasen würde und noch Rauch hinterlässt. Warum ist Abwesenheit oft lauter als Präsenz? Warum sind die, die gehen, manchmal die, die am längsten bleiben? Niko du machst Notizen. Doch was schreibst du wirklich? Notizen, die vergilben oder Gedanken die ein Echo haben? Ihr wollt wissen wer ich bin. Ich frage zurück, wisst ihr wer ihr seid? Seid ihr nur Rollen, Masken oder Namen an Klingelschildern? Worte, die euch irgendwann überleben, wenn ihr selbst längst nicht mehr da seid. Am Ende sind wir doch alle nur Staub, der wartet, wieder aufgewirbelt zu werden.
Maximilian merkt wie Stacys Augen zufallen, während er noch redet. Er verstummt, nimmt einen Zettel und notiert seine Fragen. Kein ganzer Text, kein Monolog. Nur Fragen. Er legt den Zettel auf den Tisch, dort wo Stacy ihn finden wird wenn sie wieder erwacht. Ein kurzer Blick schweift durch den Raum, in dem sich Schatten mit den Atemzügen der Schlafenden mischen. Er deckt Stacy, Vanja und Niko zu und baut sich aus den restlichen Sofakissen ein kleinen, gemütlichen, Schlafplatz auf dem Boden. Nachdem er den Frühstückstisch gedeckt, die Pombärfingerabdrücke aus dem Türrahmen entfernt und den Abwasch gewaschen hat, legt er sich hin und verschwindet ebenfalls ins Land der Träume.
Danke, äh… Bro?
Maximilian murmelt etwas in sich hinein.
Maximilian hebt den Kopf, sein Blick bleibt einen Moment an Stacy hängen, er vermutet einen riesen Pickel zu erkennen.
Ich bin 34. Arbeiten muss ich nicht, ich habe mich längst frei gemacht von Terminen. Und nein, ich trage keine Asche mit mir herum. Aber Lavendel und Efeu – die begleiten mich. Erinnerungen, die länger halten als jede Boutique, die ihre Kasse vermisst.
Ein Moment Stille setzt ein.
Wenn es dir ums Praktische geht, ich kann die Miete im Voraus zahlen, für Monate. Geld ist nicht die Frage. Darf ich euch auch ein paar Fragen stellen? Es sollte ein gegenseitiges Kennenlernen sein.
Maximilians Augen weiten sich hoffnungsvoll.
Ein Putzplan klingt wie ein Plan zum putzen. Aber kann man Pläne putzen? Pläne erstellt man.
Maximilian schaut in verwirrte Gesichter und probiert es mit einfacher Sprache.
Ich habe zu oft gesehen wie Menschen in ihrem eigenen Dreck versinken, nicht weil er nicht da war, sondern weil sie nie wussten wer ihn wegfegen sollte. Erst zerbricht die Ordnung in der Wohnung, dann die Ordnung zwischen den Menschen. Ein Glas bleibt stehen, ein Teller fängt an zu schimmeln, ein Herz verhärtet. Am Ende fragt keiner mehr wann bist du dran? Der Staub ist nur das sichtbare Zeichen für das Unsichtbare. Ein Plan zwingt uns aber hinzusehen. Er verteilt Last, Gerechtigkeit wird einziehen, erinnert uns daran, dass wir gemeinsam hier sind, nicht allein. Also ja, ein Putzplan ist wichtig. Vielleicht nicht für den Boden oder die Küche, eher für das fragile Geflecht, das ihr hier WG nennt. Ohne Plan wird selbst die Nähe zum Schmutz.
Maximilian überlegt wie er antworten soll. Das einzige was ihm in den Sinn kommt ist
Habt ihr eine Kooperation mit Pombären?
Maximilian zieht die Augenbrauen hoch.
Wie alt ich bin? Es kommt drauf an wie du rechnest. In Geschichten oder in Jahren? Einen Job? Über Finanzen rede ich nicht. Insta? Ein Ort an dem man sich zeigt und dennoch nicht gesehen wird. Pfannkuchen süß oder herzhaft? Die Frage kann ich tatsächlich beantworten. Haustiere?
Er macht eine kurze Pause, sein Blick senkt sich.
Früher gab es eins, jetzt sind nurnoch Spuren geblieben. Pinkeln im Stehen? Das klingt weniger nach einer Haltung als nach einer Philosophie.
Maximilian zieht eine Augenbraue hoch, als hätte Niko gerade einen schlechten Zaubertrick versucht.
Trenchcoat und Zigarre, wenn du willst dann stell dir mich so vor. Manchmal ist es leichter, wenn Leute in Bildern denken, statt in Menschen. Aber Niko, sag mal, wenn hier jeder Schluss macht, traurig ist oder Pickel zähl, soll ich dann den Pausenclown geben? Ich bin nicht euer Zirkus, und ihr seid nicht mein Publikum. Aufheitern klingt nach Insta-Story. Ihr habt Pombären, die können wenigstens nicht Schluss machen und Stacy könnte aufhören mit den Temumasken, dann bleiben auch die Pickel fern.
Er grinst kurz schief, als hätte er den Witz selbst zu spät verstanden.
Maximilian setzt sich auf einen Stuhl und rückt hin und her, als würde er noch überlegen, ob er gleich wieder aufstehen sollte. Dann fängt er ernst an.
Also, Yo, ich bin Maximilian. Ich hab Insta, klar. 342 Follower, glaub ich, oder vielleicht auch nur 34, je nachdem, wie man zählt. Ich poste nicht viel, meistens Pombären. Manche sagen, das ist langweilig, aber für mich sind’s Kunstwerke. Die Tüte aufreißen, das ist ein Statement.
Er nickt kurz, als hätte er gerade etwas Wichtiges bewiesen.
Stil hab ich auch, so halb. Die fehlende Hälfte würde ich in der Boutique von Stacy kaufen. Ist nur doof, dass sie nie aufmacht. Stil Kasse fehlt.
Er lehnt sich zurück, als wäre die Vorstellung abgeschlossen, und murmelt noch halblaut.
Hilfe
Heute Mittag? Vielleicht war ich hier, vielleicht war es nur mein Schatten. Jetzt aber bin ich hier, komplett, nicht mehr nur als Vorstellung.
Er lehnt sich an den Türrahmen und bemerkt die vielen kleinen Fettabdrücke der Pombärfinger
Habe ich das Casting verpasst?
Maximilian legt die Hand auf die Klinke und drückt vorsichtig. Die Tür öffnet ohne Widerstand. Er blinzelt, als hätte er gezaubert.
Komisch,
murmelt er halblaut
früher konnte man Türen noch öffnen, ohne dass man erst Gewalt anwenden musste. Vielleicht hat die Jugend verlernt, dass manches nachgibt, wenn man es ordnungsgemäß nutzt.
Er tritt mit der stille Bestätigung seiner Gedanken ein.
Maximilian zieht die Brauen hoch, als hätte Freddys Worte ein Stück Stein in der Luft zerspringen lassen. Ein Laut entweicht ihm, roh und fremd, die Ur-germanischen Vorfahren drehen sich in diesem Moment im Grab.
Yo, Freddy.
Vorübergehend wohne ich bei euch.
Maximilian ist über die Frage des Ninjas sichtlich verwirrt.
Ich bin mal Ninja, mal was anderes. Aber eins das bin ich immer, ein Freund.