Als @FreddySchorch@lemmy.world und Anni das Haus verlassen und eine Weile die Straße entlanggehen, liegt Heidis Garten schwarz vor ihnen, als hätte der Himmel die Sterne verschluckt. Der Mond wirft nur ein fahles Licht, das kaum reicht, die eigenen Füße zu sehen. Der Lichtkegel von Freddys Taschenlampe schneidet durch die Dunkelheit, doch der Strahl bleibt klein, gefangen zwischen den kitschigen, viel zu ordentlich gestutzen Bäumen und Büschen.

„Komm“, sagt Freddy mit leiser Stimme, und ohne sich umzusehen, stapft er in den Garten. Anni folgt, ihr Herz hämmert in ihrer Brust. Ängstlich sieht sie sich um - hoffentlich bemerkt Heidi sie nicht. Der Boden ist weich, schwammig, jeder Schritt der beiden sinkt ein, knackt, reißt alte Wurzeln auf. Geruch von verrottetem Holz liegt schwer in der Luft, vermischt mit etwas, das Anni nicht benennen kann – dumpf, metallisch…

Anni weiß schon lange nicht mehr, wo die beiden sind. Obwohl sie schon mal in Heidis Garten war - diesen Weg kennt sie nicht.

Nach einer ganzen Weile erreichen sie einen Totholzwall. Ein Chaos aus aufgestapelten Ästen, verdrehten Stämmen und Wurzeln, die wie Klauen in den Himmel ragen. Es ist kein natürlicher Wall. Es ist eine Grenze. Eine Warnung. Anni spürt es in ihren Knochen – hier sollte man nicht weitergehen.

Freddys Gesicht, von unten von der Lampe angestrahlt, wirkt gespenstisch. Er sagt nichts, hebt nur die Hand, als Zeichen, dass Anni ihm folgen soll. Dann klettert er los, langsam, als hätte er das schon hundert Mal getan. Anni setzt die Hände auf das tote Holz, versucht, das Bündel mit dem leblosen Köper nicht fallen zu lassen. Es ist kalt, feucht - als sei es noch lebendig und wolle sie nicht durchlassen. Ein Ast bricht unter ihrer Hand, das Knacken hallt in der lautlosen Nacht wie ein Schuss.

Auf der anderen Seite ist die Dunkelheit noch dichter. Der Garten dort wirkt anders – leer, tot. Keine Insekten, kein Rascheln von Tieren. Nicht einmal der Wind wagt es hier, die Blätter zu bewegen. Jeder Schritt wird schwerer, als würde der Boden sie festhalten wollen. Annis’ Nacken prickelt, und sie weiß nicht, ob es der kalte Schweiß ist oder der inständige Wunsch, einfach umzukehren.

Dann plötzlich öffnen sich die eng stehenden Rhododendrenbüsche. Sie stehen auf einer kahlen Lichtung. Das Gras ist grau, der Boden karg. Und dort - im Zentrum - ein Begräbnisplatz. Aufgeschichtete Steine, kreisrund, unnatürlich ordentlich. Einige sind groß wie Grabsteine, andere klein, aber alle zusammen wirken sie wie ein uraltes Zeichen, das niemand deuten sollte. Düster und streng, als sei der Kreis nicht von Menschenhand, sondern von der Erde selbst geformt.

Die Luft ist schwerer hier, elektrisch geladen. Anni spürt es im Brustkorb, in jedem Atemzug. Es ist, als würde der Ort selbst sie ansehen, abwägen, messen. Und tief in sich weiß Anni: Sie hätten niemals hierherkommen dürfen.

Freddy bleibt stehen, und stellt seinen Besen an einen der Steine.